Heide Grundmann

TUNING THE WORLD

Zu den Installationen von Sam Auinger und Bruce Odland.

Im Grunde genommen glauben sie, dass die Welt schön ist. Und diese Grundüberzeugung trägt dazu bei, dass sie den Menschen, die in ihre Installationen kommen oder im öffentlichen Raum auf sie stossen, ein Weltintensivierungserlebnis verschaffen und zugleich eines ohne lästige und unerträgliche Klänge. Dabei behält die Zufallsstruktur des in der Welt vorgefundenen Materials, das vielfach gefiltert und prozessiert in Raum-Musik und Musik-Räume verwandelt wird, durchaus eine Rolle .

Sam Auinger und Bruce Odland markieren mit ihren Installationen einen jener vielen changierenden Schnittpunkte zwischen urbanem Soundenvironment und Technologie, an denen die Musik des 20./21.Jahrhunderts in der Praxis neu definiert wird. Handinhand damit steht auch die Rolle der KomponistInnen, der RezipientInnen, des Materials oder der kompositorischen Strategien zur immer wieder neuen Definition an. Die seit der breiten Verfügbarkeit von Tonaufzeichnungstechnologien auch in der Musik aufgeworfenen und vielfach getesteten Fragen nach dem Verhältnis zwischen der realen Welt und der Abbildung von Fragmenten aus ihr, bzw. dem Schaffen neuer Wirklichkeiten aus solchen aufgenommenen, übertragenen, prozessierten, rekombinierten und in die reale Welt zurückgeschickten Fragmenten werden in den Installationen der beiden Künstler von spezifischen Blickwinkeln her immer wieder neu aufgeladen.

Auinger und Odland gehen vom sich stetig verändernden Flow von meist städtischen Soundenvironments an klar definierten Orten aus und ordnen sich damit in jene Gruppe von KomponistInnen ein, die sich dem nicht mehr ganz so jungen Genre der Soundscape-Komposition widmen.

Mit diesem Genre verbindet sie auch der Impetus zu einer Sensibilisierung der Wahrnehmungsfähigkeiten der Besucher/TeilnehmerInnen ihrer Installationen. Eines der Kriterien, die die Komponistin Hildegard Westerkamp zur Definition des Genres "Soundscape Composition" *1 erwähnt, ist "... its potential in enhancing listening awareness". Die Essenz dieses Genres besteht für sie in "the artistic, sonic transmission of meanings about place, time, environment and listening perception". Westerkamp betont, dass die Soundscape Composition sowohl dem Komponisten wie auch den HörerInnen eine Stellungnahme gegenüber dem Gehörten und seiner Quelle in der realen Welt abverlangt. Auch Sam Auinger und Bruce Odland sprechen zunächst von sich selbst als Komponisten, wenn sie notieren: "Wir lernen, einen Sinn aus der Klangumgebung zu ziehen, indem wir sie wahrnehmen, ihr zuhören, sie erforschen, sie erkennen und als Sprache zu verstehen versuchen. Wenn wir Fortschritte gemacht haben, sammeln wir Buchstaben aus diesem Alphabet der Klänge und entwickeln Werkzeuge, um damit unsere Umgebung zu verändern." *2 Auinger und Odland lassen keinen Zweifel daran, dass es sich bei dieser Transformation des Soundenvironments um eine Verwandlung in Musik handelt. Während Helga de la Motte, Herausgeberin des "Sonambiente" Katalogs und Verfasserin des Bandes "Klangkunst" diese als ein neues spartenübergreifendes Genre zwischen Musik und bildender Kunst definiert, scheint die Soundscape Composition noch immer nach einer Positionierung innerhalb und als Musik zu suchen und betont vielleicht gerade deshalb auch in ihren räumlichen, installativen Ausformungen ihren Musik-Aspekt. Das in der realen Welt angesiedelte Ausgangsmaterial der Soundscape Compositions und das gelegentlich in Zusammenhang mit ihnen eingeforderte soundökologische Engagement, ihre Ausrichtung auf eine Sensibilisierung des Hörens, auf ein "Deep Listening" (Pauline Oliveros) als Mittel der Welterkenntnis, scheinen manchen TheoretikerInnen einer "autonomen Musik" auch nach Jahrzehnten soundscape-kompositorischer Praxis immer noch suspekt.

Es war der Komponist R.Murray Schafer, der in den 70er Jahren in Vancouver den Begriff der "Soundscape" nicht zuletzt anhand seines legendären "World Soundscape Projects" definiert hat, bei dem es nicht nur um das Aufzeichnen (und Bewahren) von "Soundscapes" mithilfe zeitgenössischer Technologien ging, um ein bewusstes "Listening" ("Hinhören") auf das jeweilige "Soundenvironment" und um Möglichkeiten seiner Gestaltung, sondern letztlich auch um die Auflösung klassischer Musikdefinitionen durch die Einbeziehung von Klängen aus vorgefundenen Soundenvironments. Die Musikstudentin Hildegard Westerkamp zählte zu jenen enthusiastischen MitarbeiterInnen Schafers, die gemeinsam mit ihm auch das Konzept der Lärmbekämpfung zu dem einer "acoustic ecology" ausweiteten." The Tuning of the World" hiess das Buch, in dem R.Murray Schafer seine Ideen darlegte. *3 Während sich die Definition einer 'acoustic ecology" - trotz ihrer unbestrittenen Bedeutung - zur Zeit in einer Krise zu befinden scheint, ist das Genre der Soundscape Compositions sehr lebendig, ja geradezu in einem dringendst ästhetisch/theoretische Definitionen benötigenden Zustand des Ausuferns befindlich.

Man könnte behaupten, dass Sam Auinger und Bruce Odland bei ihrem praktischen und theoretischen Beitrag zur Definition des Genres sehr spezifisch an die Vorstellung von "Tuning of the World" anknüpfen. Bei den "Werkzeugen", die sie dazu entwickelt haben, erinnern sie daran, dass eine Gestaltung des Soundenvironments auch schon mit analogen Mitteln möglich war. Selbstverständlich hat Hildegard Westerkamp darin recht, dass Soundscape Compositions sich "exclusively in the electroacoustic realm" bewegen. "We can only hear it if we have sound equipment, loudspeakers and electricity." *4 Auinger und Odland aber führen als wichtiges Verbindungsglied zwischen ihrem Ausgangsmaterial in der realen Welt und ihrem elektroakustisch/digitalen Übertragungs- und Prozessierungsapparat analoge "Tuning Tubes" ein. Anders als viele andere Soundscape Composers gehen sie nicht als Soundsammler mit Aufzeichnungsapparaten durch Soundenvironments, um ihre Fundstücke dann im Studio zu bearbeiten, (selbstverständlich gibt es auch Studiokompositionen von Auinger und Odland) sondern richten ihre "Tuning Tubes" an strategischen Punkten direkt auf diese Live-Environments. D.h. das vorgefundene (vorher erforschte, aber trotzdem Zufällen und ständigen Veränderungen unterworfene Material - Ausdruck der Lebensprozesse und -Zyklen eines Segments einer Stadt) wird durch die Tubes "getuned", "gestimmt": "Everything gets reduced to melody and chords of the overtone series based on the length of the tube". *5 Erst dann startet der elektro-akustische/digitale Aufzeichnungs-, Übertragungs-, Misch- und Distribuierungsprozess, u.zw. - wiederum anders als bei der Mehrzahl der gängigen Soundscape-Compositions - in Real Time. Dieser Prozess kann nur ablaufen, wenn das "Instrument" - die Live/Real Time-Installation- nach von den Künstlern sorgfältigst entwickelten Parametern funktioniert. Zu diesem Instrument gehört auch - und in den Arbeiten von Auinger und Odland mehr und mehr - der völlig durchdachte, gestaltete Raum der Distribution und Rezeption - jener Raum, in dem die "Veränderung", die Musikalisierung des realen Live-Ausgangsmaterials durch das Instrument der elektro-akustisch-digitalen Gesamtinstallation mit all ihren Prozessen - gehört/wahrgenommen /erlebt werden kann.

In ihrer Pool-Installation in Berlin zielen die Künstler auf eine immersive Wahrnehmung dieser Real Time Musikalisierung durch die Besucher/TeilnehmerInnen ab. "The intent is maximum immersion into (a) pool of melodies and harmonies extracted in real time from Potsdamerplatz." *6 In der Diskussion um die Wahrnehmung von in Real-Time für immersive Räume gerenderten Soundpartikeln aus unterschiedlichen Quellen und aus unterschiedlichen Realitätsebenen die Frage danach bisher offen, ob in solchen potentiell ein sehr intensives Erleben ermöglichenden Situationen tatsächlich eine Sensibilisierung für eine differenziertere Wahrnehmung als im Alltag samt deren Reflektion ermöglicht wird, oder ob, im Gegenteil, das Ausschalten kritisch-distanzierter Fakultäten Voraussetzung für die grösstmögliche Immersion ist.

" The listener's past experience, associations, and patterns of soundscape perception are called upon by the composer and thereby integrated within the compositional strategy." (Katherine Norman *7)

Auinger und Odland präsentieren ihre Installationen bewusst als präzise gestaltete Versuchsfelder, in denen jede einzelne der BesucherInnen dazu eingeladen ist, zu verweilen, zur aktiven Hörer/NutzerIn zu werden, die sich - das Mitspielen von Erinnerungen und Assoziationen zulassend - ihre eigene Version der von den Künstlern so sorgfältig vorbereiteten Situation schafft. Wenn man mit der Erinnerung an diese ureigene Erfahrung aus der Installation in den Alltag hinaustritt, mag es sehr wohl sein, dass nicht nur der Hörsinn geschärft ist, sondern auch das Wissen darum, dass es nicht nur unser Kopf ist, der hört.

  • 1: Hildegard Westerkamp: "Soundscape Composition: Linking Inner and Outer Worlds" in: Soundscapes be)for(e 2000. Hg.: Michael Fahres. Amsterdam, 1999
  • 2: http://www.adk.de/sonambiente/artistsw/auringw.htm
  • 3: R.Murray Schafer: The Tuning of the World. McClelland & Stewart. Toronto, 1977
  • 4: op.cit..
  • 5: Bruce Odland: "Hive Music"
  • 6: e-mail von Bruce Odland, 28.Maerz 2001
  • 7: Katherine Norman zitiert in Hildegard Westerkamp: "Soundscape Composition", s.o.